Nachhaltig gescheitert? Diskussion im ZAZ Bellerive.

Sind wir nachhaltig gescheitert?

An einer Veranstaltungsreihe im ZAZ Bellerive diskutierten der Archverein und die Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit der ETH, woran das nachhaltige Bauen in der Praxis scheitert.

Die Bauindustrie ist mit rund 40 Prozent der emittierten Treibhausgase, sowie einem immensen Hunger an Ressourcen und Produzent von Abbruchmaterialien, jährlich 17 Millionen Tonnen an Rückbaumaterial alleine in der Schweiz, einer der Treiber des Klimawandels. Das Problem - exzessiver Ressourcenverbrauch und zu viel emittiertes CO2 - ist erkannt.
Dem IPCC Report ist zu entnehmen, dass wir bei einem «Weiter so» das 1.5 Grad-Ziel der Pariser Klimaverhandlungen nicht einhalten werden.

«Wenn man das Fleisch wegnimmt, dann bleiben nur Kartoffeln». Mit diesen Worten leitete ETH-Professor Guillaume Habert in einem Einspieler die erste Veranstaltung der dreiteiligen Eventreihe organsisiert vom Archverein und der Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit der ETH im ZAZ Bellerive ein. Der Frage, ob wir nachhaltig gescheitert sind und wie zukunftsweisendes Bauen funktionieren kann, gingen beim ersten Event der Diskussionsreihe ‹Nachhaltig gescheitert? Diskussionsreihe zu zukunftsweisender Architektur› Drazenka Draghila Salis (Swiss Prime Site - SPS), Barbara Sintzel (SIA, FHNW), Alexander Tyropolois (Novac Solutions), Andreas Oefner (Zirkular) und Matthias Sauerbruch (SauerbruchHutton Architekten) nach. Beispielhaft wurde dabei die Bauwerke des Maag-Live Areal herangezogen.

Im ersten der drei Events wurde aufgezeigt, dass diese Frage ein Diskurs ist, der in der breiten Gesellschaft ausgetragen werden muss. Mit dem Vergleich von Lebensmitteln und Bau-Materialien, stellte Guillaume Habert bereits am Anfang des eine Analogie zur Lebensmittelpyramide her und präsentierte somit eine mögliche Lösung: Der Bausektor benötigt eine neue Diät, eine mit möglichst vielen biologischen Materialien. Denn die graue Energie der Materialien spielt bis dato in der Entscheidung über Neubau oder Erhalt eine zu kleine Rolle. Dies müsse sich ändern. Die graue Energie müsse neu definiert und berechnet werden - nicht nur monetär, sondern auch in CO2-Äquivalenten. Wir müssen «rechnen, rechnen, rechnen»! Dies würde den Planenden erlauben, faktenbasierte Entscheidungen zu treffen.

Storytelling bestimmt die Nutzung
Ein wesentlicher Aspekt, der in der Diskussion mitklang, war die Geschichte eines Ortes, dessen Charakter und die damit verbundenen Emotionen. Es ist die einzigartige Geschichte eines Ortes, die massgeblich zu seiner Vermarktung beiträgt. Dieses Storytelling bestimmt die Haupt-, Zwischen- und Nachnutzung des Gebäudes und wird geformt durch die Materialien und der darin verbauten Elemente, sowie der damit zum Ausdruck gebrachten Ästhetik. Die Geschichte und die Transformation des Ortes wurden an der zweiten Veranstaltung auf der Massstabsebene ‹Stadt› diskutiert. Der Fokus lag auf stadtsoziologischen Aspekten wie beispielsweise dem Erhalt identitätsstiftenden Orten im öffentlichen Raum. Zu Gast waren Tom Geister (SauerbruchHutton Architekten), Martin Pfenninger (SPS), Christian Schmid (Department Architektur ETH Zürich, Dozent für Soziologie), Christoph Gysi (Präsident Kulturmeile Zürich-West), Pascal Posset (Hager Landschaftsarchitekten), Lars Kaiser (Urban Equipe).

Die Stadt sei einer ständigen Transformation unterworfen, doch sei es der Mensch, der diese Transformation leite und gestalte, meinte die Runde. Die Stadtentwicklung sei kein natürlicher Prozess, sondern einer, der durch Machtverhältnisse und der Vertretung von eigenen Interessen geprägt ist. Dabei lägen die Interessen von der Stadt, Investoren, Planern und Bewohnern oft gar nicht so weit auseinander. Gefordert wurde eine Erdgeschoss, in der nicht zwischen Arbeiten und Leben getrennt werde. Gleichzeitig bedürfe es aber auch einer Anpassung an den fortschreitenden Klimawandel, gemäss des Hitzeplans der Stadt Zürich.

Schnelle Transformation
Immer wieder wurde hervorgehoben, dass es bei der Planung der Transformation vor allem der Partizipation und dem Einbeziehen der Menschen der Stadt bedarf. Urbanität sei ein von den Menschen geleiteter Prozess. Eine Transformation müsse in Bahnen geleitet werden, die eine Identifikation der Menschen mit dem Ort zulasse. Die Stadt müsse Diversität und Flexibilität zulassen und nun auch die Folgen des Klimawandels abmildern können. Und das schnell. Materialien, Diäten, graue Energie, Aneignung, Transformation und Partizipation. Der Begriff Nachhaltigkeit in der gebauten Umwelt bedient nicht eine, sondern viele Ebenen. Diese Vielschichtigkeit wurde in den ersten beiden Events hervorgehoben und beleuchtet. Eines ist jedoch sehr klar: es ist ein Diskurs, der fortlaufend geführt werden muss. 

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